Für meine Bachelor-Arbeit an der Universität Greifswald haben mich eben jene Formen interessiert. Qualitativ wie quantitativ galt es mithilfe der Internetdatenbank Suuri Suomalainen Bändirekisteri neben der Frage nach typischen Quellsprachen finnischer Bandnamen auch zu klären, wie bei der Bandnamenschöpfung generell mit Sprache umgegangen wird. Wird mit ihr gespielt, wird sie modifiziert oder finden sich überwiegend gängige Begriffe wieder? Lässt sich feststellen, ob kurze und somit leichter einprägsame Namen dominieren oder aber ein Hang zu ausschweifenden, mehrteiligen Namen deutlich wird?
Warum dies von Belang ist, liegt in der Vielzahl an Funktionen begründet, die ein Bandname zu erfüllen hat. Denn über die generelle Identifikation einer bestimmten Gruppe und deren Abgrenzung zu den übrigen Akteuren auf dem Markt hinaus werden die Namen markenähnlich verwendet: CDs, Konzerte, Merchandise-Artikel, überall taucht der Name zu Verkaufszwecken auf. Daher sollte er ansprechend und eingängig sein. Ist er zudem kurz und prägnant und folgt der konventionellen Schreibweise, so kommt dies neben der Erinnerbarkeit auch seiner Verwendbarkeit in schriftlichem, mündlichem sowie audiovisuellem Kontext zugute. Komplexere Namen dagegen, die womöglich zudem ungewöhnlichen Sprachmustern folgen und aufgrund ihres Erklärungsbedarfs Schwierigkeiten bei der Aussprache oder dem Verständnis verursachen, setzen sich weniger leicht im Gedächtnis fest. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass die jene Namen in Kommunikationssituationen vermieden werden, um sie nicht fehlerhaft wiederzugeben. Letzten Endes wäre also ein kurzer, wohlklingender, graphisch attraktiv in Szene setzbarer Name ideal, der vielleicht sogar etwas über die Musik verrät und mit dem sich der potentielle Hörer gern identifiziert.
Der im Suuri Suomalainen Bändirekisteri gesammelte Namensvorrat finnischer Bands zeigt deutlich, dass dem Erfindungsreichtum und sprachlichem Spielwitz keinerlei Grenzen gesetzt sind: nahezu alles kann als Name fungieren, so vielfältig sind die Quellbereiche und Zusammensetzungen der Bandnamen. Sie können Personennamen integrieren, konkreten wie abstrakten Ursprungs sein oder ganz der Phantasie entspringen. Dabei orientiert sich etwa die Hälfte der Bands an der Lingua Franca der Musikbranche und wählt englischsprachige Namen, gut ein Viertel finnische. Den Rest bilden u.a. lateinische, schwedische oder deutsche Namen sowie etliche Mischformen. Hinsichtlich der Bedeutung des zugrundeliegenden sprachlichen Materials wiederholt sich das Bild. Man trifft gleichermaßen auf Anleihen aus der Mythologie (Kullervo, Tuonelan Joutsen), der Literatur (Shemeikka, Voldemort), des Films (Han Solo), der Musik (Dissonanssi), der Natur (Talviaamu, Länsituuli), wie auf fachsprachliches Vokabular (Kitarisat, Ihottuma), auf provokante und affektive Namen (Vittu, Persereikä) aber auch solche rund um Alkoholika, deren Konsum und Folgeerscheinungen (Krapulator von krapula ?Kater?, Absolute delirium).
Auffällig ist zudem, dass einige Bands den Begriff „Namen“ in ihrem selbigen unterbringen. So scheinen etwa manche Schwierigkeiten der Namensfindung direkt verwertet worden zu sein (Nimiongelma, Nimettömät, Insert Name Here). Nicht selten entspringen die Kreationen dem spielerischen Umgang mit der Sprache. So sind Variationen der Schreibweise, wie die Substitution von Buchstaben durch Ziffern gemäß dem Internetphänomen „Leetspeak“ (Stam1na statt „Stamina“, Va3ltaja statt „Vaeltaja“) oder die Verwendung von Heavy-Metal-Umlauten (,die als Effekte dienen und keinerlei Einfluss auf die Aussprache nehmen, z.B. Stönehenge, Röadcrew) ebenso zu beobachten wie Wortspiele auf lautlicher wie graphischer Ebene (Ginlandia vgl. „Finlandia“, Shitegeist vgl. „Zeitgeist“, Echosystem vgl. „Ecosystem“). Letztere scheinen besonders beliebt, was nicht zuletzt daran liegen muss, dass die Verknüpfung zum Bezugswort kognitiv erfolgt, der Hörer/Leser sich folglich mit dem Namen auseinandersetzt und ihn wahrscheinlicher in Erinnerung behalten wird. Doch nicht nur einzelne Wörter, sondern auch Wortgruppen oder gar Phrasen im Stile von Ei mahdollista mutta totta oder Watch how we fall werden als Namen verwendet. Allerdings verzichten die finnischen Bands überwiegend auf diese Option. Für die untersuchte Auswahl ergab sich ein Anteil von 82% für Namen bestehend aus nur einem bis zwei Wörtern - allerdings können diese mitunter ziemlich lang werden (Taivaanrannanmaalarit). Größtenteils werden dennoch kürzere Namen gewählt, sodass sie im Schnitt aus 1,7 Wörtern und 3,8 Silben bestehen.
Obwohl solche statistische Aussagen aufgrund des Analysematerials möglich sind, muss betont werden, dass die Blickwinkel hinsichtlich derer sie zu interpretieren sind, noch im Dunkeln liegen. Scheinen bereits die Inspirationsquellen, aus denen Bands ihre Namen beziehen, unermesslich zu sein, so gilt selbiges für die Auswertungsmöglichkeiten: Abhängigkeit zwischen Namen und musikalischem Genre, Widerspiegelung des Zeitgeistes, Einfluss der sozialen oder territorialen Herkunft einer Band, Unterschiede zwischen altem und neuem Namen bei erfolgter Änderung etc. All jene Facetten gilt es künftig erst noch zu beleuchten, um ein klareres Bild der Unbekannten „Bandname“ zu zeichnen, neue Forschungsfelder zu erschließen und kontrastive Untersuchungen zur Bandnamengebung anderer Ausgangssprachen auf den Weg zu bringen.
Ergebisse der Bachelor-Arbeit Von Aalto ?Welle? bis Öiset Kulkijat ?Nächtliche Wanderer? - Eine korpusgestütze linguistische Analyse finnischer Bandnamen von Sabrina L.V. Scholz
Sehr interessante Analyse!