Mitte der 90er Jahre nahm mein Mann an einem Religionslehrer-Austausch zwischen Deutschen und Finnen in Finnland teil, organisiert von der evangelischen Landeskirche hier in NRW. Bei einem der dortigen Treffen las Pfarrer Biermann an einem Tag aus diesem Lyrikband vor. Mein Mann dachte dabei gleich an mich; denn ich liebe Lyrik schon seit meiner Schulzeit. Er ließ sich Titel und Verlag nennen und erfuhr, dass dieser Band wahrscheinlich nur noch im Antiquariat zu haben sei.
Nach seiner Rückkehr machte ich mich telefonisch auf die Suche (Internet hatten wir 1996 noch nicht) und wurde schließlich in einem Kölner Antiquariat fündig – welch ein Glück!!! Nach Erhalt des Bandes begann ich, abends beinahe täglich aus der Anthologie vorzulesen, sozusagen als Einleitung eines wohlverdienten Feierabends.
Was uns beide so faszinierte: Die Dichter/innen sprachen mit einer völlig ungeschminkten Art und Weise Themen an, die hier in Deutschland einfach so nicht benannt werden. Überzeugt, dass auch andere diese Gedichte so berühren/begeistern könnten, gestaltete ich den Bildervortrag „Licht-Spiele in Nordkarelien – ein poetischer Bilderreigen" in unserer DFG-Gruppe Bochum/Witten – und erntete die Worte: wie kann man so etwas Deprimierendes schön finden und uns zu solch wunderbaren Finnland-Fotos zumuten? Nun - man muss wohl so (empfindsam) gestrickt sein wie mein Mann und ich, um diese wunderbaren Gedichte zu schätzen.
Hier nun das Lieblingsgedicht meines Mannes und ganz besonders das meine (als wir Ende 2016 zufällig vom Tod Huldéns lasen, fühlten wir beide einen großen Verlust aufgrund der empfundenen Seelenverwandtschaft) :
Lars Huldén (05.02.1926 – 11.10.2016)
Guter Rat für Glückliche
Wenn du einmal voll der Glücksgefühle aufspringst und hinausschreist in den Wind,
gegen das Meer oder den schweigenden Wald – wem immer entgegen -, schreist 'Ich bin glücklich', so musst du wissen,
dass deine Worte dir dereinst abverlangt werden mit Zinsen:
wie wenn ein Sträfling entflieht, bevor
seine Strafe zu Ende ist, aber er wird gefaßt
und seine Strafe wird härter
als zuvor.
Die Behörden des Lebens dulden keine
Ausbrecher, und Glück ist jenes
Gefühl, dass man unberührt bleibt von
den harten Bedingungen des Lebens, man ist auf
geheimnisvolle Weise dem Steinbruch entronnen.
Darum – wenn du dein Glück so tief
empfindest, dass deine Augen davon leuchten, beuge dein Angesicht zur Erde und zieh die Kapuze tief über
die Stirn wie ein Aussätziger, wandere stumm deinen
Weg, auf dass der Klang deiner Stimme nicht verrate,
was dein Herz fühlt.
Diesen Worten ist bis heute nichts hinzuzufügen – sie haben ihre Gültigkeit immer behalten und im Trump'schen Zeitalter eher noch dazugewonnen.
Mit freundlichem Gruß
Beate Erwien-Schrotmann
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