Metal und Wikinger, das ist eine häufige Kombination. Aber Metal und Byzanz? Dafür muss der geneigte Fan schon etwas länger im CD-Regal kramen. Dr. Antje Bosselmann-Ruickbie von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat sich eben dieser Kombination jetzt in einem ausführlichen Aufsatz gewidmet. Die Forscherin, zu deren Schwerpunkten Byzantinisches Kunsthandwerk, Byzantinische Ornamentik sowie Transfer und diplomatischer Austausch zwischen Byzanz und seinen Nachbarn gehören, untersuchte dazu die Alben The Varangian Way und Stand Up and Fight der finnischen Band Turisas – und kam zu interessanten Ergebnissen.
Bosselmann-Ruickbie analysiert in ihrem Aufsatz Texte und Konzept der beiden Alben aus einem geschichtswissenschaftlichen Blickwinkel, um den Kontakt zwischen Skandinavien und Byzanz und seine Repräsentation in der Populärkultur darzustellen. Dabei stützt sie sich auf einen breiten Hintergrund aus epigraphischen, bildlichen und archäologischen Quellen und bezieht auch Artwork und Merchandise der Band mit ein. Nach einer Einführung in Heavy Metal als Forschungsgegenstand sowie Geschichte und Musik der Band zeichnet Bosselmann-Ruickbie ein Bild der historischen Umgebung des Byzantinisches Reiches. Dabei legt sie besonderes Gewicht auf den Forschungsstand zu Skandinavien und den Wikingern, vor allem auf ihre Beziehungen zum Osten, die erst in den 1970er Jahren in den Fokus der Wissenschaft gerückt seien. Zur Zeit der Veröffentlichung der beiden Album hätten der Band daher vielfältige Quellen zur Verfügung gestanden, die sie offensichtlich gut genutzt hätten.
Bosselmann-Ruickbie verfolgt die Reise der Figuren, die auf den Alben ihre Geschichten erzählen – Hakon the Bastard in
To Holmgard and Beyond, Ingvar in
A Portage to the Unknown und Harald the Hard in
Five Hundred and One – und verbindet sie anhand von alten Dokumenten und Berichten aus Sagas mit historischen Persönlichkeiten. Die lange Route aus Skandinavien nach Miklagard bzw. Konstantinopel, die aus der Ostsee in den Finnischen Meerbusen, vorbei an Holmgard bzw. Novgorod und durch die gefürchteten Stromschnellen des Dnjepr geführt habe, sei eine wichtige Handelsverbindung zwischen Ost und West gewesen. Die Präsenz der Skandinavier in Konstantinopel habe greifbare Spuren in der großen Stadt hinterlassen, etwa in einer Runeninschrift an den Wänden der Hagia Sophia. Die als Warägergarde bezeichnete Leibgarde des byzantinischen Kaisers behandelt Bosselmann-Ruickbie anhand des Albums
Stand Up and Fight. Ihr mythischer Ruf als furchtlose Krieger, die dem Kaiser bedingungslos ergeben gewesen seien, sei durch zahlreiche schriftliche Quellen transportiert und in der Forschung ausführlich behandelt, aber auch teilweise dekonstruiert worden. Weiterhin thematisiere die Band Aspekte des täglichen Lebens in Konstantinopel, in
Venetoi! – Prasinoi! etwa die Pferderennen im Hippodrom, bei denen die Bewohner der Stadt auf ihre Favouriten gewettet hätten.
Insgesamt bewertet Bosselmann-Ruickbie die beiden Alben als gut recherchierte Beispiele des Viking Metal. In Songtexten, Artwork und Merchandise seien unterschiedliche Quellen herangezogen und Anachronismen weitestgehend vermieden worden. Turisas schaffe über zwei Alben eine anschauliche Geschichte, die dem Zuhörer einen wichtigen und selten auf diese Weise behandelten Teil der mittelalterlichen Geschichte präsentiere: das byzantinische Reich und seine Hauptstadt, Konstantinopel.
Zum Schluss noch ein Hinweis für alle, die Frau Dr. Bosselmann-Ruickbies Untersuchung im Detail lesen und sich näher mit dem historischen Hintergrunds beschäftigen möchten: Der gesamte Artikel steht unter dem Titel
Heavy Metal Meets Byzantium! Contact between Scandinavia and Byzantium in the Albums »The Varangian Way« (2007) and »Stand Up and Fight« (2011) by the Finnish Band Turisas bei Academia zum
Download zur Verfügung.
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