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Vergangene und heutige Klagen


Klagelieder haben in Finnland eine lange Tradition, in die sich jetzt auch einige junge Musikerinnen und Musiker einreihen.

von MoinMoiNews , 09.09.2018 — 0 Kommentare

Pirkko Fihlman, die Vorsitzende des Vereins Äänellä itkijät, referiert in Espoo zu Klageliedern. © Äänellä itkijät ry

Weinen tun wohl alle Menschen mal, als Kind mehr, als Erwachsener weniger. Aber wer kann von sich behaupten, mit seinem Weinen seine innersten Gefühle ausgedrückt, andere Menschen mit einbezogen und ihnen aus der Seele gesprochen zu haben? Genau das leisten Klagelieder: melancholische, meist von Frauen vorgetragene Gesänge, die in der finnischen Kultur eine lange Tradition haben.

Auch wenn der finnische Name anderes vermuten lässt, gehen die Gesänge nicht auf eine christliche Tradition zurück. Die Bezeichnung itkuvirsi (wobei virsi ein geistliches Lied aus dem Gesangbuch bezeichnet) wurde der Musikerin Emmi Kuittinen zufolge von Forschern eingeführt, die sich mit der Tradition beschäftigten, und habe nichts mit kirchlichen Gesängen zu tun. In Ostfinnland hätten die Lieder aber durchaus Einflüsse aus der orthodoxen Musik bezogen. Klagelieder wurden zu verschiedenen Gelegenheiten gesungen – zu Beerdigungen und zum Auszug in den Krieg, aber auch zu Hochzeiten, denn diese bedeuteten für die Braut, dass sie sich von ihrer Familie trennen und auf den Hof des Mannes ziehen musste. Überraschenderweise gibt es auch Fälle, in denen zu frohen Anlässen gesungen wurde, etwa aus Dankbarkeit. In Finnland sind die Klagelieder stark mit der karelischen Kultur verbunden. Mit den nach dem Winter- und Fortsetzungskrieg evakuierten Menschen gelangten sie von dort aber auch in andere Teile des Landes.

In den 1990er Jahren drohte die Tradition des Klagelieds in Finnland zu verschwinden, da viele der alten Flüchtlinge aus Karelien inzwischen gestorben waren und die Lieder fast nur noch zu Vorführungszwecken gesungen wurden. Es gab jedoch immer noch Menschen, die sich für die Aufrechterhaltung dieser Tradition einsetzten. Unter ihnen waren Pirkko Fihlman und Liisa Matveinen, die 1998 den ersten Kurs für Trauersänger organisierten. Drei Jahre später wurde der Verein Äänellä Itkijät gegründet, der diese Kurse nicht nur an verschiedenen Orten in Finnland, sondern auch in Schweden, Norwegen und sogar Spanien anbietet. In den Kursen werden Grundfähigkeiten vermittelt, mit denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigenen Lieder schaffen und für ihre Bedürfnisse gebrauchen können. Daneben bildet der Verein Kursleiter aus, organisiert Veranstaltungen und vernetzt Interessierte aus verschiedenen Ländern. Mit der neuen Belebung der Tradition sind auch neue Themen in die Lieder eingeflossen. Fihlman etwa hat schon über die Probleme auf dem Land oder über Machthaber gesungen.

Zum Weinen brauche es Mut, heißt es auf der Webseite des Vereins, um seine Gefühle zu konfrontieren und sie in Worte zu fassen. Das erlebte auch Kuittinen, die zum ersten Mal von den Klageliedern hörte, als sie ihr Studium der Volksmusik begann. Bis sie sich selbst an ihnen versuchen wollte, verging allerdings noch einige Zeit. „In der Öffentlichkeit weinen Menschen selten und wenn sie es tun, entschuldigen sie sich dafür“, erzählt sie gegenüber Yle. Deswegen habe auch sie am Anfang gegen gewisse Hemmungen ankämpfen müssen, bevor sie ihre Lieder vortrug. Inzwischen habe sie sich aber daran gewöhnt. Ihre ersten Klagelieder lernte Kuittinen vom Band, begann jedoch schnell, eigene Werke zu schreiben. „Ich denke, dass der Kern dieser Tradition nicht darin liegt, jemand anderes Sorgen zu beweinen. Jeder hat seine eigenen Klagen.“ In ihren Liedern mischt sie traditionelle mit persönlichen Einflüssen und bedient sich der karelischen Sprache – auch diese musste sie sich zunächst mithilfe von Kassetten und Büchern selbst beibringen.

In diesem Jahr haben die Klagelieder eine kleine Renaissance unter finnischen Volksmusikern erlebt. Im August 2018 etwa veranstaltete die auf finnisch-ugrisches Liedgut spezialisierte Sängerin Noora Kauppila im nordostfinnischen Kuusamo ein Konzert, das sich unter anderem den Klageliedern als Form des kollektiven Trauerns widmete. Auch hier machte sich der moderne Einfluss bemerkbar, denn das Konzert fand mit Unterstützung des finnischen Umweltschutzverbands Suomen Luonnonsuojeluliitto in einem Sumpf statt, dessen Erhalt gefährdet ist. So traurig die Anlässe für den Klagegesang aber auch sein können: Die Stadt Kuusamo weist in der Ankündigung des Events auf ihrer Webseite schon darauf hin, dass sie durchaus eine tröstende Wirkung haben können. Sie geben den Menschen das Gefühl, mit ihren Sorgen nicht allein zu sein, und ermöglichen es ihnen, ihre Trauer in Worte zu fassen. Daran hat sich auch in der heutigen Zeit wenig geändert.




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