Häusliche Gewalt ist ein weltweites Problem, das tiefe Spuren in Familien, Partnerschaften und Beziehungen hinterlässt. Die Opfer sind oft in einem Zyklus aus Gewalt, Entschuldigungen und Versprechen, scheinbar friedlichen Perioden und schließlich erneuten Ausbrüchen gefangen, der Hilflosigkeit, Selbstbeschuldigung und Traumatisierung bis zu schweren Depressionen nach sich zieht. Werden Kinder Zeuge oder Opfer von Gewalt durch ihre Eltern oder andere Angehörige, kann dies zu Verzögerungen in ihrer Entwicklung, Schwierigkeiten in der Schule und psychischen Problemen führen.
Auch in Finnland sind die eigenen vier Wände nicht immer ein sicherer Ort. Im letzten Jahr gab es nach Angaben des Statistikinstituts
Tilastokeskus 8.300 registrierte Fälle von Gewalt in Partnerschaften und anderen Beziehungen, was einen leichten Rückgang gegenüber dem vorangegangenen Jahr darstellt. Etwa zwei Drittel der Opfer waren Frauen. Um dem Problem zu begegnen, wurden in Finnland verschiedene Organisationen gegründet. Außerdem ratifizierte das Land 2015 die sogenannte Istanbulkonvention.
Die Istanbulkonvention, mit vollem Namen Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der für die unterzeichnenden Staaten einheitliche Rechtsnormen im Umgang mit Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt schaffen soll. Gemeint sind dabei sowohl psychische als auch körperliche und sexuelle Gewalt, einschließlich Zwangsheirat und Genitalverstümmelung. Der Vertrag gibt klare Forderungen und Handlungsanweisungen vor, die Gewalt verhüten und die Stellung der Betroffenen verbessern sollen. Dazu gehört, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter in Verfassung und Rechtssystemen verankert und Hilfsangebote für Frauen geschaffen bzw. vorhandene ausgebaut werden müssen. Der Vertrag trat im August 2014 in Kraft.
Verschiedene Organisationen in Finnland haben nun die Umsetzung der Vorgaben überprüft. Nach einer Mitteilung des finnischen Menschenrechtsverbands
Ihmisoikeusliitto hat Finnland viele Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in die Wege geleitet, in drei Jahren seien beispielsweise acht neue Frauenhäuser (im Finnischen geschlechtsneutral als turvakoti, also sicheres Haus bezeichnet) eröffnet worden. Die Ressourcen seien jedoch noch nicht ausreichend. Die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Hilfsorganisationen müsse verbessert werden, ebenso die Koordination einzelner Maßnahmen. „Die Organisationen haben lange Erfahrung und professionelle Kenntnisse auf dem Gebiet“, erklärt Kaisa Åberg von der Organisation Naisten linja. „Wir geben den Menschen und ihren Erfahrungen eine Stimme.“
Auch Kinder, die häusliche Gewalt erlebt haben, müssen demnach schnellere und effektivere Hilfe erhalten. „Gewalt traumatisiert auch dann, wenn die Kinder sie nicht am eigenen Leib erleben“, gibt Tiina Muukkonen vom Verband Ensi- ja turvakotien liitto zu bedenken. „Es gibt noch Mängel, wenn es darum geht, die Gewalterfahrungen der Kinder zur Sprache zu bringen und sie zu unterstützen.“ Damit sich diese Situation verbessert, verlangen die Organisationen eine entsprechende Ausbildung für medizinisches Personal, die Polizei sowie Beschäftigte in Kindergärten und Schulen.
Finnland müsse außerdem mehr Ressourcen in präventive Arbeit und Informationsangebote investieren. Nur so könne sichergestellt werden, dass Betroffenen möglichst früh Hilfe bekämen. Für die Zukunft bleibt also zu hoffen, dass die Fallzahlen auch weiterhin sinken.
Kommentare