Wandern, zelten, Beeren sammeln und schwimmen – wer möchte das im Urlaub nicht gerne tun? In Finnland garantiert das Jedermannsrecht, dass die Natur dafür jedem offensteht. Das Gesetz gilt für einen Großteil der Fläche des Landes und erlaubt es, sich dort zu Fuß, per Skier, mit dem Fahrrad und zu Pferde frei zu bewegen, Beeren und Pilze zu sammeln und auch mal eine Nacht zu verbringen, solange die Privatsphäre angrenzender Wohngebiete sowie das Leben von Wildtieren und die Umwelt respektiert werden. Nur wenige Länder gestatten ihren Einwohnern und Gästen eine solche Freizügigkeit – neben Finnland haben nur Norwegen und Schweden ein ähnliches Recht. Anne Rautiainen von der gemeinnützigen Organisation Suomen Latu etwa erzählt gegenüber
Yle, dass viele ausländische Besucher bei ihrem ersten Aufenthalt in Finnland überrascht seien, dass sie die im Wald wachsenden Beeren und Pilze einfach mitnehmen könnten.
Gerade weil das Jedermannsrecht so kennzeichnend für Finnland und seinen Umgang mit der Natur ist, möchte Suomen Latu ihm zu einem entsprechenden Status verschaffen. Konkret geht es um die Aufnahme in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes. Auf dieser Liste finden sich unter anderem gesellschaftliche Bräuche sowie Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur, die im Gegensatz zu Denkmälern und Gebäuden nicht verortbar sind, aber als lebende Kulturformen für die mit ihnen verbundenen Gemeinschaften dennoch bedeutsam sind. Das finnische Bildungs- und Kulturministerium hat nach Angaben von
Yle bereits im vergangenen Jahr eine Liste mit 52 Vorschlägen bestätigt, die der UNESCO vorgelegt werden könnten, darunter etwa das Geschicklichkeitsspiel Mölkky, die finnische Sauna und der Kalakukko, ein in Brot gebackenes Fischgericht aus dem ostfinnischen Savo. Die Aufmerksamkeit von Suomen Latu richtet sich besonders auf das Jedermannsrecht, das sich ebenfalls auf dieser Liste befindet. Auf ihrer
Webseite erklärt die Organisation, dass das Jedermansrecht für die Finnen von besonderer Bedeutung sei, weil es allen gleichberechtigten Zugang zur Natur garantiere. Etwa die Hälfte aller Ausflüge in die Natur mache Gebrauch von diesem Recht, und mit dem Skifahren, Wandern und Beerensammeln seien die Hobbys vieler Finnen direkt damit verknüpft. Neben Suomen Latu setzen sich für die offizielle Anerkennung des Jedermansrechts auch der finnische Naturschutzverband und die Organisation FEE Suomi ein, die sich der Vermittlung eines verantwortungsbewussten Umgangs mit der Umwelt und ihren Ressourcen verschrieben hat. Ein Platz auf der Liste der UNESCO würde vor allem Sicherheit für das Jedermannsrecht bedeuten, das in Finnland leicht für eine Selbstverständlichkeit gehalten wird.
In die UNESCO-Liste werden allerdings nur solche Bräuche aufgenommen, die auch aktiv ausgeübt werden. Suomen Latu hat sich deswegen zum Ziel gesetzt, den Finnen das Jedermannsrecht und seine Einzigartigkeit ins Bewusstsein zu rufen. Ein Teil davon ist die von Yle ausgerichtete Kampagne
Mennään metsään (zu Deutsch etwa
Auf in den Wald). Bis Anfang Oktober können die Finnen dort angeben, wie oft sie im Herbst in den Wald gegangen sind, ob nun beim Spaziergang mit dem Hund, auf einem kleinen Umweg nach der Arbeit oder zum Joggen. Damit soll die Beziehung der Finnen zur Natur in Zahlen erfasst und eine Diskussion angestoßen werden – damit die Wälder, Seen und Wiesen des Landes auch in Zukunft allen rücksichtsvollen Besuchern offenstehen.
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