Am Donnerstag feierte Finnland das 101. Jahr seiner Unabhängigkeit. Die Feierlichkeiten in Helsinki versammelten einmal mehr Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft im Präsidentenpalais, die in einer langen Schlange darauf warteten, dem Präsidenten und seiner Frau die Hand zu schütteln, und brachten über 2 Millionen Menschen vor den heimischen Bildschirm.
Neben dem traditionellen Fackelumzug der Studierenden von Hietaniemi im Westen von Helsinki zum Senatsplatz im Zentrum fanden in der Hauptstadt an diesem Abend auch drei politische Demonstrationen statt: ein Marsch der nationalsozialistischen Bewegung
Kohti vapautta (Auf zur Freiheit) durch den Stadtteil Kallio, gefolgt von der Demonstration
Helsinki ilman natseja (Nazifreies Helsinki) und schließlich ein Fackelzug der 612-Vereinigung, deren Organisatoren bereits 2015 in einem
Bericht des finnischen Sicherheitsinformationsdienstes
Suojelupoliisi als rechtsradikal eingeschätzt wurden. Die Polizei nahm mehrere Personen fest und beschlagnahmte Hakenkreuzflaggen.
Eben diese Flaggen sorgten in der Folge für Diskussionen über mögliche Gesetzesänderungen. Anders als in Deutschland ist das offene Tragen von Hakenkreuzen in Finnland nicht gesetzlich verboten. Die Polizei kann die Zeichen jedoch beschlagnahmen, wenn sie diese als Mittel der Aufhetzung gegen bestimmte Gruppen interpretiert. Innenminister Kai Mykkänen sieht diese Gesetzeslage als ausreichend an. In einem
Interview mit Yle Radio 1 am Freitagmorgen bezweifelte er den Nutzen eines Verbots von einzelnen Symbolen. Wichtiger sei es, dass die Polizei bei Bedarf eingreifen könne. Juha Hakola von der Helsinkier Polizei betonte im
Interview mit dem Yle-Morgenmagazin dagegen die Notwendigkeit klarer Gesetze. Wenn das Gesetz bestimmte Symbole eindeutig verbiete, müsse die Polizei nicht erst vor Ort abwägen, was zu tun sei. Ministerpräsident
Juha Sipilä, Finanzminister
Petteri Orpo und der Vorsitzende der
Sozialdemokratischen Partei Finnlands Antti Rinne äußerten sich noch während der abendlichen Feierlichkeiten auf Twitter zu den Vorfällen. Mit der Beschlagnahmung habe die Polizei die richtige Entscheidung getroffen. Die Flaggen hätten nichts mit den Werten zu tun, für die Finnland stehe.
Das politische Klima in Finnland kam in den Medien im Laufe der letzten Monate wiederholt zur Sprache. Im
September erst ordnete das Gericht in Turku die Auflösung der nationalsozialistischen
Pohjoismainen Vastarintaliike (Nordische Widerstandsbewegung) und ihrer Regionalverbände an. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Im November wies ein
Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte außerdem auf die Vorurteile und Ausgrenzungserfahrungen hin, die vor allem Migrantinnen und Migranten aus Afrika in Finnland erleben. Von 502 Befragten berichteten demnach 63 Prozent von verletzenden Gesten und Bemerkungen oder Drohungen in den letzten fünf Jahren, was Finnland an die Spitze der zwölf untersuchten Länder setzt. 14 Prozent der Befragten gaben an, auch körperlich angegriffen worden zu sein. Deutlich geringer waren diese Anteile noch im
letzten Bericht der Agentur im Dezember 2017, in dem 28 EU-Länder und insgesamt über 25.500 Personen befragt wurden. Ein Trend für Finnland war jedoch zu diesem Zeitpunkt schon auszumachen: Von den befragten Migrantinnen und Migranten aus Subsahara-Afrika berichteten 45 Prozent von Erfahrungen mit Diskriminierung. Die Gleichstellungsbeauftragte
Kirsi Pimiä sieht in diesen Zahlen ein ernst zu nehmendes Problem: Rassismus sei in Finnland offenbar weiter verbreitet, als man es von einem Wohlfahrtsstaat erwarten würde.
Kommentare