Das Wort „kalsarikänni“ beschreibt ein finnisches Phänomen und es geht um die Welt. thisisFINLAND (das finnische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten) hat diesem Wort sogar eines von den 56 Emojis gewidmet, die Finnland als erstes Land der Welt lancierte, um schwer zu beschreibende finnische Emotionen, Wörter und Sitten mit sogenannten Emoticons zu erklären.
thisisFINLANDbeschreibt „kalsarikänni” als „das Gefühl, wenn man sich allein zu Hause, nur mit Unterwäsche bekleidet, betrinkt – ohne jegliche Absicht, noch auszugehen.“
Diesem Thema hat nun Miska Rantanen, der u. a. Redakteur bei der größten finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat ist, ein Sachbuch gewidmet, das mit dem Titel Kalsarikänni. Suomalainen opas hyvään elämään (auf Deutsch etwa Kalsarikänni. Ein finnisches Handbuch zu einem guten Leben) 2018 bei Schildt & Söderström erschien. Bemerkenswert ist, dass dieses Buch bereits im selben Jahr – am 17.12.2018 – auch auf Deutsch mit dem Titel Kalsarikänni. Vom großen Spaß, sich allein zu Hause in Unterwäsche zu betrinken bei Goldmann erschien.
Goldmann hat sich hier ein Thema aus Finnland geschnappt, das tatsächlich in der Welt umhergeht als ein cooler Trend aus Finnland. In der heutigen, hektischen Digital-Zeit muss der Mensch entspannen können. Die Dänen machen das mit „hygge“ (entschleunigen, am Kaminfeuer kuscheln und Schokolade trinken …), die Schweden und Norweger wiederum haben „lagom“ („Wenn Dinge lagom sind, dann ist alles genau am richtigen Platz, nicht zu viel und nicht zu wenig“ [Rantanen] – also etwas Schokolade, aber nur mäßig, maßvoll und im Gleichgewicht).
Diesen zwei Zuständen setzt Rantanen Kalsarikänni entgegen. Ihm zufolge entscheidet sich der Finne nicht für „hygge“ oder „lagom“, sondern eben für „kalsarikänni“. Es ist handfest, flexibel, demokratisch und für alle über 18 geeignet. Es lässt sich individuell zuschneiden und benötigt keinen Kamin, denn schließlich hat nicht jeder das nötige Kleingeld dafür.
In seinem Buch führt Rantanen in „kalsarikänni“ ein, er setzt sich damit auseinander und gibt praktische Anleitungen. Er erklärt „kalsarikänni“ als ein Produkt der finnischen Kultur, und wie es entstanden ist. Er gibt Tipps für einen gelungenen Kalsarikänni-Abend und führt auch die besten hundert Vorwände dafür auf. Es fehlen auch nicht Ratschläge dafür, wie man das Bier schnell gekühlt bekommt und welche Kleinigkeiten man dazu essen sollte. Vorsorglich wird auch darauf hingewiesen, was man während „kalsarikänni“ nicht tun sollte.
Vorgestellt wird auch die Sommerversion von Kalsarikänni: Tütenbier. Begleitend werden immer wieder Erfahrungsberichte, „Stimmen zu Kalsarikänni“, von Personen, die das schon angewendet haben, gebracht.
Am Ende des Buches stellt Rantanen die nächste Stufe von Kalsarikänni vor: Kalsarikänni ohne Alkohol. Denn wer Kalsarikänni ausnützt, um sich zu betrinken, hat etwas Grundsätzliches nicht verstanden. Es geht um Achtsamkeit sich selbst gegenüber und laut Rantanen wird sogar ein chaotischer Tag schnell harmonisch, „wenn man daran denkt, dass sich auch unter dem gut geschnittenen Anzug oder der perfekten modischen Eleganz immer etwas verbirgt: Unter unserer Alltagskleidung tragen wir alle eine Unterhose“…
Das Buch liest sich leicht und bringt den Leser zum Schmunzeln. Es gibt etwas Einblick in das „finnische Seelenleben“ und ist sicherlich nicht allzu ernst zu nehmen. Miska Rantanen erinnert aber damit auch daran, dass es für uns alle notwendig ist, zur Ruhe zu kommen – und dass dies auch ohne Alkohol geht.
Miska Rantanen, Kalsarikänni. Vom großen Spaß, sich allein zu Hause in Unterwäsche zu betrinken, mit Illustrationen von Mari Huhtanen, Goldmann 2018, aus dem Finnischen von Tanja Küddelsmann, ISBN 978-3-442-15965-9. 10 Euro. Eine Rezension aus der Deutsch-Finnischen Rundschau 180 von Marjaana Staack.
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