Eigentlich bin ich kein großer Krimi-Leser oder Fan des Genres. Weder geheimnisvoll-düstere Nordic-Noir Geschichten, noch bizarr-surreale Erzählungen des Genres Finnish Weird konnten meine Aufmerksamkeit lange halten. Dieser Kimmo-Joentaa-Roman hat mich jedoch von Anfang an begeistert. Eventuell weil man als Leser schnell spürt, dass es Jan Costin Wagners Roman nicht primär um den Kriminalfall geht, sondern dieser bloß als Aufhänger für die ihn umgebende Geschichte dient.
Ungewöhnlich ist der Fall aber allemal: Kimmo Joentaa wird auf den Marktplatz von Turku gerufen. Ein Kollege hat dort einen Jugendlichen, der im Brunnen saß und sich selbst verletzte, erschossen. Im Nachhinein versteht niemand die Situation so ganz, auch sein Kollege weiß nicht mehr genau, wieso er eigentlich geschossen hat. Als Kimmo die Botschaft des Todes an die Eltern überbringt, wird er mit Ereignissen aus der Vergangenheit konfrontiert, die zwei Familien ins Unglück gerissen haben und weiter ihre Kreise ziehen.
Das Interessante an dieser Geschichte sind ihre Zwischentöne und ein Gefühl der Ahnung, das während der gesamten Erzählung spürbar bleibt. Sie handelt von der Frage nach Schuld, von Verzweiflung, die so stark ist, dass alles Gegenwärtige vergessen wird, und von Wahn. Gerade die leisen und verständnisvollen Anklänge, die im Roman immer mitschwingen, machen ihn zu etwas ganz Besonderem.
Am Schluss erscheint der Fall vielleicht sogar unspektakulär, moralisch wirft aber auch das Handeln des Kommissars einige Fragen auf, der mit ungewöhnlichen Methoden versucht zu retten, was noch zu retten ist. Insgesamt betrachtet ein Krimi, der eher ein Psychogramm der Gegenwart ist und durch seine unaufgeregte und sanfte Art ganz besonders überzeugt.
Jan Costin Wagner: Sakari lernt durch Wände zu gehen. Galiani. 240 S. ISBN 978-3-442-47408-0, 10 Euro. Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau 181 von Daniel Wellinghausen.
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