Der Roman entfaltet die tragische Geschichte von zwei Frauen, die in die Irrenanstalt für weibliche Insassen auf der finnischen Insel Sjalö verbracht werden. Hier werden wegen ihrer Andersartigkeit von der Gemeinschaft verstoßene, auch lebensunfähige und selbstgefährdete Frauen wie Aussätzige weggesperrt. „Wahnsinn“ und „Hysterie“ wurden im 19. Jahrhundert zur Frauenkrankheit schlechthin erklärt.
Die Autorin bietet dem Leser erschütternde Einblicke in eine Zeit ohne geeignete Methoden der Diagnostik und Behandlung seelischer Störungen. Kristina Andersson, die erste Protagonistin, gerät in eine so ausweglos erscheinende Situation, dass sie in einer Herbstnacht 1891 ihre zwei im Boot schlafenden Kinder im Meer ertränkt. Kristinas Dasein auf Själö ist geprägt von radikalen Methoden, denen sie wie die anderen hilflos ausgeliefert bleibt. Handarbeiten im Gebäude, Gartenarbeit als Belobigung; darin erschöpft sich das Beschäftigungsangebot. Gleich, welches Verhalten die entmündigten Patientinnen an den Tag legen, gilt es allein als Bestätigung ärztlicher Einschätzungen.
Vierzig Jahre später wird Ellinor Curtén eingeliefert. Die Siebzehnjährige entfloh der bedrückenden Enge des Elternhauses, verliebte sich und wurde auf der Flucht ergriffen. Sie gilt als unberechenbar. Wir erleben, wie sie der auch in Finnland aufkommenden nationalsozialistischen Rassenhygiene preisgegeben ist, die auf Sterilisierung als probates Mittel gegen sogenannte „Asoziale“ setzt.
Der Roman ist auch eine Geschichte der Wünsche und Sehnsüchte, des Behauptungswillens, des Verlangens nach Bestrafung und Anerkennung, Liebe und Familie. Eine Geschichte des Verlöschens. Eine Geschichte der Überforderung, der Übernahme von Verantwortung, Zuneigung und erster Zweifel am Umgang mit den Frauen in Gestalt der Schwester Sigrid.
Johanna Holmström erzählt mit großer Sachkenntnis, ihr Stil ist einfühlsam, bildreich und fesselnd. Orte wie Själö waren kein Einzelfall.
Holmström, Johanna: Die Frauen von Själö. Själarnas ö. Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn. Ullstein 2019. 365 S. ISBN 978-3-550-0544-2, 22 Euro. Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau 181 von Roland Bärwinke.
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