Finnische Jugendliche aus dem LGBT+-Spektrum berichten deutlich häufiger als ihre Klassenkamerad*innen von Mobbing, sexueller Belästigung und Gewalterfahrungen. Das geht aus
den Ergebnissen der diesjährigen Umfrage zur Schulgesundheit hervor.
Die Umfrage findet seit 1996 jedes zweite Jahr im März und April statt und richtet sich an Kinder und Jugendliche zwischen der ersten und neunten Klasse. In diesem Jahr sammelte sie rund 300.000 Antworten. In den 8. und 9. Klassen wurden die Schüler*innen dabei zum ersten Mal gezielt nach Diskriminierung aufgrund von Sexualität und Genderzugehörigkeit gefragt. Die Ergebnisse wurden neben dem Durchschnittswert in zwei Gruppen geteilt: Die erste Gruppe umfasste alle Jugendlichen, die eine andere sexuelle Ausrichtung als heterosexuell angaben, und die zweite Gruppe all jene, die sich nicht mit dem ihnen zugewiesenen Geschlecht identifizierten. Insgesamt zählten diese beiden Gruppen etwa 19.000 Schüler*innen.
Besonders von Diskriminierung betroffen sind laut der Umfrage die Schüler*innen der zweiten Gruppe: 23 Prozent von ihnen gaben an, mindestens einmal in der Woche Erfahrungen mit Mobbing zu machen. Damit liegt ihr Anteil fast viermal so hoch wie der Durchschnitt in derselben Altersgruppe. 40 Prozent berichteten außerdem von sexueller Belästigung. Demgegenüber steht ein Durchschnitt von etwas über 20 Prozent. Geringfügig höher war der Anteil nur unter den Schüler*innen, die eine andere sexuelle Ausrichtung als heterosexuell angaben.
Die Ombudsfrau für Kinderrechte Elina Pekkarinen sieht in den Zahlen ein Versagen der Gesellschaft: Es gebe viele Projekte, die sich für mehr Akzeptanz einsetzten, doch diese hätten es offenbar nicht geschafft, die Einstellungen der Menschen zu verändern.
Auch das eigene Zuhause erlebten viele nicht als sicheren Ort: Etwa jede*r vierte Befragte in beiden Minderheitengruppen gab an, in diesem Jahr körperliche Gewalt durch eine erziehungsberechtigte Person erlebt zu haben. Von psychischer Gewalt berichteten mehr als 40 Prozent.
Die Generalsekretärin der finnischen Menschenrechtsorganisation
Seta Kerttu Tarjamo sorgt sich vor allem um die dadurch fehlende Unterstützung der Schüler*innen. Ohne den Rückhalt in ihren Familien seien die Jugendlichen in höherem Maße durch weitere Gewalt und Diskriminierung bedroht. Problematisch sei auch, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht immer ernst genommen würden. Wenn in den Schulen eine Atmosphäre herrsche, in denen sie sich nicht trauten, um Hilfe zu bitten, dann fielen diese Schüler*innen schnell durch die gesellschaftlichen Sicherheitsnetze, so Tarjamo.
Pekkarinen hält vor allem Aufklärung für zentral, um den in der Umfrage deutlich werdenden Probleme zu begegnen. Die höheren Klassen seien allerdings der falsche Zeitpunkt, um damit anzufangen. Stattdessen müssten Programm zum Verhindern von Mobbing bereits in den Kindergärten beginnen und alle Familien einbeziehen. Eltern müssten dazu angeleitet werden, ihre Kinder so zu erziehen, dass sie unterschiedlichen Menschen begegnen und die Bedeutung von Menschenrechten erfassen könnten.
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