Mit dem Beginn des aktuellen Schuljahres hat an finnischen Schulen auch ein neues Bildungsprojekt begonnen: Die Kinder der ersten Klasse können nun bereits ab der Einschulung eine Fremdsprache erlernen. Bisher war dies erst ab der dritten Klasse möglich. Den vorgezogenen Sprachunterricht ermöglicht die
Verlängerung der Schulwoche um eine Unterrichtseinheit auf 20 Stunden.
Vom frühen Beginn der sprachlichen Förderung
verspricht man sich viel: So soll er etwa die kindliche Neugier nutzen, den Einfluss sozioökonomischer Unterschiede auf die Bildungschancen verringern und die Kenntnisse der im finnischen Schulsystem bisher weniger stark vertretenen Sprachen verbessern. Bildungsexpert*innen befürchten jedoch, dass die finanzielle Realität der Kommunen zumindest die beiden letztgenannten Hoffnungen ins Gegenteil verkehren könnte. Da viele Kommunen nicht die Ressourcen hätten, um neben dem Englischen noch weitere Sprachen anzubieten, könne der frühe Beginn zu einer weiteren Überbetonung des Englischen im Schulunterricht führen.
Dem finnischen Zentralamt für Unterrichtswesen OPH und dem Berufsverband des Bildungssektors OAJ zufolge gibt das den Kindern ungleiche Chancen, je nachdem, wo in Finnland sie wohnen und welche Möglichkeiten ihr Heimatort ihnen bieten kann. Beim späteren Start ins Berufsleben oder eine weiterführende Ausbildung hätten die Schüler*innen damit nicht überall den gleichen Stand, so Pauliina Viitamies vom OAJ. Um das Unterrichtsangebot zu erweitern, müssten die Gemeinden daher investieren, etwa in kleinere Lerngruppen, Weiterbildungen für Lehrkräfte und Zusammenarbeit mit den Kindergärten.
Die Stadt Tampere nimmt in diesem Zusammenhang eine Vorreiterrolle ein: Sprachkompetenz ist hier als Ziel der Bildungspolitik festgeschrieben und wird bereits seit zehn Jahren aktiv gefördert. In der ersten Klasse können die Kinder zwischen sieben Sprachen wählen: Englisch, Schwedisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Russisch und Chinesisch. Die erste Berührung mit einer Zweitsprache findet schon vor Schulbeginn statt, zum Beispiel durch Sprachspiele im Kindergarten und ein Schnupperprogramm im Vorschulunterricht, in dem über acht Wochen hinweg jede Woche eine neue Sprache vorgestellt wird, erklärt Koordinatorin Outi Verkama. Und das Programm trage Früchte: Jedes dritte Kind wähle in der dritten Klasse als erste Fremdsprache eine andere Sprache als Englisch.
Zum Vergleich: Landesweit lag dieser Anteil im Jahr 2018 nach Angaben von OPH bei gerade einmal zehn Prozent.
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