Das im Titel zitierte Paradies ist in Wirklichkeit keines. 1930, in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und nach der Weltwirtschaftskrise, wird Jussi Ketola, als Kommunist gebrandmarkt, von Männern der rechtsradikalen Lapua-Bewegung aus dem Bett geholt und illegal über die russische Grenze in die autonome sozialistische Sowjetrepublik Karelien verbracht. In der Tat hat er sich als Minenarbeiter in den USA, in der weiten Welt außerhalb seines Heimatlandes, mit sozialistischen Ideen befasst. Nun muss er sich jenseits der Grenze in Russland ein paralleles Leben aufbauen, das aber ebenso wie sein vorheriges in ständiger Gefahr ist.
Er wird der Spionage verdächtigt, ein Überleben in der Balance zwischen den Extremismen scheint kaum möglich. Der Sozialismus entzaubert sich.
Antti Tuuri, mehrfach ausgezeichneter finnischer Meister der Worte, lässt Jussi Ketola als Ich-Erzähler seine Geschichte berichten. Die Emotionen der Protagonisten finden sich dabei nicht in, sondern entstehen zwischen den Worten, Angst, Liebe, Schrecken, Hoffnung, Unsicherheit. Die vordergründige Distanz der Sprache zeichnet Antti Tuuri als Autor aus und lässt die Beklemmung der historischen Ereignisse, die der Roman nachzeichnet, vielleicht sogar spürbarer werden als es eine dramatischere Ausdrucksweise vermocht hätte.
Glückliches und Verlust, Verrat und Menschlichkeit wohnen immer nah beieinander. Das vermeintlich gute Ende des Romans bleibt in der Bewertung offen: Ist es Wirklichkeit, ist es Illusion? Leser und Leserin wissen, dass der nächste Weltkrieg seine Schatten voraus wirft …
Antti Tuuri teilt übrigens mit Jussi Ketola den Ort der Herkunft: Kauhava in Pohjanmaa/Ostbottnien. Über 50 Romane, außerdem Erzählungen, Dramen, Hörbücher, auch Drehbücher und Opernlibretti entstammen seiner Feder, mehrere seiner Romane wurden verfilmt. Tuuri beginnt seine berufliche Laufbahn als Diplomingenieur und kommt von dort aus zu Wort und Text, zum erfolgreichen Schriftsteller. Eine Straße ins Paradies?
Antti Tuuri: Strasse ins Paradies. Ikitie. Aus dem Finnischen von Beat Hüppin. Antium Verlag 2019. 464 Seiten. ISBN 978-3-907132-02-9, 20,50 Euro. Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau 183 Jessika Kuehn-Velten
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