Dieser Gedichtband ist gleich mehrfach ungewöhnlich: in seinem kulturellen Hintergrund, seinem poetischen Abbild von acht Jahreszeiten, seinem Anlass, seinem durchgängigen Versschema und darin, dass hier zwei fremdsprachige Übertragungen, ins Englische und Deutsche, abgedruckt sind. Ohne ihre Originale.
Das Volk der Samí kennt vier Haupt- und vier Zwischenjahreszeiten. Der Band enthält zu jeder ein Gedichtkapitel. Die Texte sind einem äußeren Anlass geschuldet. Ein Musiker hatte die auch im deutschsprachigen Raum bekannte Lyrikerin Inger-Mari Aikio um kurze Gedichte für ein neues Musikstück gebeten. Ihre in Nordsamisch und Finnisch verfassten Originalversionen sind vom strengen Versschema der Haiku und Tanka inspiriert. Die Autorin entschied sich für eine Mischform, Dreizeiler mit 5-7-7 Silben, die sie als Taiku bezeichnet.
Für Sahne für die Sonne hat eine Gruppe Studierender der Uni Bielefeld unter fachlicher Anleitung die finnischen Originale zunächst interlinear ins Deutsche übertragen und danach mit Unterstützung in eine gültige literarische Fassung gebracht. Auf diese Weise sind von Studierenden ebenso die nordsamischen in englische Versionen übertragen worden.
Es spricht von Kühnheit und Vermögen der Schriftstellerin, die Vielfalt dieser Lebenswelt in so dichten poetischen Räumen brillieren zu lassen, durch eigenartige Kombinationen den wandelreichen inneren und äußeren Landschaften überraschenden und intimen Ausdruck zu verleihen und vom eingelösten Anspruch der Studierenden, wenn noch ihre Übersetzungen diese Wirkung besitzen.
Respektvoll und offen, mit großer Seele und mit Hingabe den Elementen zugewandt, so zeigt sich die Autorin in diesem von Wundern vollen Band.
Inger-Mari Aikio: Sahne für die Sonne – Cream for the Sun. Beaivváš ?uohká gaba/ Aurinko juo kermaa. Übersetzt von Anna Lenz, Georgina Willms und Gruppe Bie. Herausgegeben von Johanna Domokos u. Susanna Grund. Nachwort: Johanna Domokos. Berlin: Verlag Hans Schiler 2018. 93 Seiten. ISBN 978-3-89930-066-6, 16 Euro. Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau 184 von Roland Bärwinkel.
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