Dies ist eine Geschichte über Jonas, den alleinerziehenden Vater und seinen Sohn Oscar. Jonas will nichts falsch machen, hat kaum Ahnung, ist überfordert und für alle Hinweise dankbar. Es gibt zu viele davon in einer Welt, in der Mütter und Ratgeber die Deutungshoheit besitzen.
Oscars Dasein macht seinen bislang als Journalist arbeitenden Vater hilflos und erfindungsreich. Immer muss etwas sofort geschehen. Nach der Windel ist vor der Windel. Ein Leben ohne Halbzeitpausen. Jonas erwirbt den schwarzen Gürtel des Minutenschlafs und gibt sich schlechte Haltungsnoten. Er schaltet auf Autopilot und würde okkulten Handlungen gegenüber kaum abgeneigt sein, gäben sie ihm die Fähigkeit, das Kind lesen zu können wie Indigene Tierspuren. Die Racker sind widerständig, härteverträglich und eierschalenzart zugleich. Sie sind Stimmakrobaten mit autarker Lautstärkeregelung, mit Gestik und Mimik, für die auch wir dann innerlich auf die Knie gehen und dem Urknall danken, wenn wir kurz davor waren oder sein werden, durchzudrehen.
Oscars Dasein verschafft seinem Vater neue Einsichten. Er fischt im Trüben, wenn er seine neue Rolle mit der als Mann, bevor er Vater wurde, ins Verhältnis zu setzen sucht. Nehmen ihn Frauen noch als Kerl wahr? Wird er je wieder mit den Jungs raubeinige Abende auf Augenhöhe verbringen? Wie würde das sein? Was wird mit dem Job?
Jonas erlebt und gestaltet Situationen, die ihm sonst unbekannt geblieben wären, und die es den meisten Vätern immer noch bleiben. Das gilt in Beziehung auf ihre Väter ebenso für Kinder. Dies ist ein Roman zu einem der letzten geheimnisumrankten Habitate unseres Daseins. Er feiert mit großer Lust und Wahrhaftigkeit dieses Leben in seinen rasanten Entwicklungen: „Oscar wollte alleine gehen und etwas alleine tun – ohne mich. […] Ich reichte ihm nicht mehr, er brauchte etwas anderes, er brauchte mehr.“
Volle Patschehand für das Buch.
Hietamies, Eve: Windelvollkatastrophe. Yösyöttö. Aus dem Finnischen von Anu Katariina Lindemann. Piper 2019. 366 S. ISBN 978-3-492-31548-7, 10 Euro. Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau 184 von Roland Bärwinkel.
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