Eigentlich hat Finnland einen ehrgeizigen
Klimaschutzplan: Bis 2035 klimaneutral sein, also nur so viele Treibhausgase ausstoßen, wie z.B. durch Wälder und Moore auch wieder aufgenommen werden, und schon ab 2029 keine Kohle mehr zur Energieerzeugung verbrennen. Das Ziel: der erste klimaneutrale Wohlfahrtsstaat werden. Damit ist Finnland Deutschland weit voraus, doch mindestens ein gar nicht mal so kleines Detail trübt die ehrgeizigen Pläne.
Am
30. Mai 2020 hat im Ruhrgebiet mit dem Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ein Kraftwerk den kommerziellen Betrieb aufgenommen, das indirekt vom finnischen Staat betrieben wird. Am ursprünglich deutschen Betreiber Uniper hält der finnische Konzern Fortum die
Mehrheit der Anteile, während Fortum wiederum ein finnisches
Staatsunternehmen ist (wenn auch nur mit knapper Mehrheit: 50,8 % Staatsbeteiligung).
Das Kraftwerk Datteln 4 ist sowohl für den finnischen als auch für den deutschen Staat in mehrerlei Hinsicht problematisch: Der ursprünglich ausgehandelte „Kohlekompromiss“ sah vor, dass in Deutschland kein neues Kohlekraftwerk ans Netz geht. Diese Einigung wurde Anfang des Jahres gekippt und nun soll das Kraftwerk – das einzige neue Kohlekraftwerk in Westeuropa – bis zum deutschen Kohleausstieg 2038 laufen. Seine Befürworter beschreiben es als modernes, effizientes, sauberes Kraftwerk, für das im Gegenzug genügend ältere Kraftwerke abgeschaltet werden. Dem stehen Berechnungen entgegen, wonach durch die Inbetriebnahme trotz der Abschaltungen bis zu
40 Millionen Tonnen Kohlendioxid zusätzlich ausgestoßen werden. Von den sozial und ökologisch fragwürdigen Kohleabbaubedingungen in Russland und Kolumbien ganz abgesehen, ebenso wie von den mit Feinstaub und Quecksilber belasteten Abgase, die den Fluss Lippe und den Ort Datteln mit seiner einige hundert Meter vom Kraftwerk entfernte Kinderklinik sehr direkt betreffen. Gegen das Kraftwerk laufen außerdem seit Jahren Klagen des Umweltschutzverbands
BUND, ob der Bau wirklich rechtmäßig ist, wurde immer noch nicht endgültig juristisch entschieden. Für den finnischen Staat und sein Klimaschutzprogramm ist es ein sichtbarer Widerspruch zwischen dem Kohleausstiegsziel 2029 im eigenen Land und dem Einstieg in die Kohlekraft durch ein Staatsunternehmen im Ausland. Durch den Hauptanteil an Uniper hat sich Fortum außerdem mehr Treibhausgasemissionen eingekauft als ganz Finnland pro Jahr ausstößt (weshalb es in den sozialen Medien oft mit der Beschreibung „größerer Verschmutzer als Finnland“,
#SuomeaSuurempiSaastuttaja versehen wird.). Dazu kommt, dass die finnische Regierung vor kurzem eine
Prinzipienentscheidung über die Klimabilanz der insgesamt 60 Staatsunternehmen getroffen hat: Sie sollen sich an das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5°C bis 2050 zu begrenzen, halten. Fortum hat bisher keinerlei Anstalten gemacht, dies zu berücksichtigen und auf der Hauptversammlung im Mai einen entsprechenden Antrag des WWF als „nicht machbar“ abgelehnt.
In den vergangenen Monaten gab es in der Klimabewegung zahlreiche Proteste mit viel deutsch-finnischer Zusammenarbeit –
Demonstrationen am Kraftwerk, vor den Konzernzentralen von
Uniper und
Fortum und an der finnischen
Botschaft. Den Protesten und den Umfrageergebnissen, dass eine Mehrheit der Menschen in Deutschland gegen das Kraftwerk ist, zum Trotz, läuft nun also ein Steinkohlekraftwerk eines finnischen Staatsunternehmens in Deutschland und lässt an den Zielen und Plänen zum Kohleausstieg und Klimaschutz beider Länder zweifeln. Finnland rückt damit zwar ein Stück weit mehr in die deutsche Öffentlichkeit, allerdings leider nicht gerade im Positiven.
Kommentare