Seit Jahren wird in Finnland darüber diskutiert, ob Väter gesetzlich dazu gezwungen werden sollten, Elternzeit zu beanspruchen. Bisher werden Müttern bis zu 105 Tagen Elternzeit gestattet und Vätern 54. 158 Tage können zwischen beiden aufgeteilt werden, von denen
98% von Müttern in Anspruch genommen werden. Ein Fünftel der Väter geht gar nicht in Elternzeit.
Ab Herbst 2022 sollen sich diese Gewohnheiten ändern. Auch wenn das Gesetz noch nicht ganz fertig ist, hat sich die Regierung bereits über
das neue Modell geeinigt: Jeder Elternteil, unabhängig vom Geschlecht, bekommt 160 bezahlte Tage Elternzeit, wobei 63 davon dem anderen Elternteil überlassen werden können. Dazu kommen für Mütter wie vorher auch 40 Tage am Ende der Schwangerschaft. Insgesamt sind es 14 Monate bezahlter Elternzeit, d.h. 2 Monate mehr als vorher, die vor dem 2. Lebensjahr des Kindes beansprucht werden können. Alleinerziehende bekommen die ganzen 14 Monate für sich selbst. Bei Zwillingen oder Mehrlingen kommen 78 Tage pro zusätzlichem Kind dazu.
Ziel der Reformierung ist es, die Gleichberechtigung zwischen den Elternteilen zu fördern, indem auch Väter häufiger zu Hause bleiben und Mütter nicht benachteiligt werden. Auch das
Wohlsein des Kindes soll verbessert werden, da das Kind mehr Zeit mit beiden Elternteilen verbringen kann und so eine bessere Bindung zu ihnen aufbaut.
Außerdem wird die Elternzeit nicht nur dadurch flexibler, dass ein Teil des Urlaubs dem anderen Elternteil überlassen werden kann, sondern auch dadurch, dass die Eltern ihre Elternzeit frei verteilen können. Zum Beispiel können sie abwechselnd einen Monat lang zu Hause bleiben. Dies müsste allerdings bei fester Beschäftigung im Voraus mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden, da es für den Arbeitgeber weniger vorteilhaft sein könnte. Für Selbständige und Unternehmer hingegen kann diese Flexibilität von großem Vorteil sein.
Dem Politikreporter Magnus Swangljung zufolge sei der Mangel an Flexibilität unter den selbstständigen Vätern einer der Gründe, warum sie die Elternzeit wenig beanspruchen, da sie sich keine so lange Auszeit von der Arbeit nehmen können.
Auch wenn die Reformierung im Großen und Ganzen auf Zustimmung stößt, drücken manche Organisationen, wie Gewerkschaften,
Unzufriedenheit oder Zweifel aus.
Einige wünschen sich auch eine Reformierung des Betreuungsgeldes. Dieses soll aber unverändert bleiben. Bis zum 3. Lebensjahr des Kindes haben die Eltern das Recht auf 160 Tage Betreuungsgeld. Allerdings wäre es zu erwarten, dass die Familien dieses weniger beantragen, da die bezahlte Elternzeit verlängert wird. Die meisten Eltern beantragen Betreuungsgeld nur bis das Kind 18 Monate alt ist und nur ca. 10% bis zu dessen 3. Lebensjahr.
Anderen Organisationen und Parteien ist diese Neuerung nicht streng genug, da 63 Tage dem anderen Elternteil überlassen werden können und somit immer noch die Möglichkeit besteht, dass Mütter länger zu Hause bleiben als Väter. Die Frage ist aber, ob man die Eltern wirklich dazu zwingen darf, gleich lang zu Hause zu bleiben. Darüber hinaus haben laut der Sozial- und Gesundheitsministerin Aino-Kaisa Pekonen frühere Reformierungen gezeigt, dass Verlängerungen der Elternzeit für Väter tatsächlich dazu führen, dass diese auch genutzt wird. Dem Politikreporter Magnus Swangljung zufolge ist es außerdem wahrscheinlicher, dass Väter die kompletten 160 Tage beanspruchen, wenn sie sowieso vier Monate lang zu Hause bleiben müssen.
Die Ministerin gibt aber zu, dass es unrealistisch wäre zu erwarten, dass alle Väter die gesamte Elternzeit nutzen.
Die Kosten, die die Reformierung mit sich führen wird, sind ein weiterer Kritikpunkt. Vor einem Jahr wurden sie auf eine Höhe von 80 Millionen Euro geschätzt, die zum größten Teil von den Versicherungen getragen werden sollen. Die Ministerin Aino-Kaisa Pekonen spricht von einer Investition in Familien. Für Finnland und für die Finnen handelt es sich um
eine wichtige Angelegenheit: Schon zwei Regierungen haben versucht, ähnliche Maßnahmen vorzuschlagen und durchzusetzen, aber erst jetzt sei man bereit, Geld dafür auszugeben.
Jetzt muss die Regierung das neue Gesetz innerhalb von 8 Monaten bis ins Detail planen, damit es im Herbst 2021 im Parlament besprochen werden kann.
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