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Rezension: Ina Westman: Heute beißen die Fische nicht

Vor Kurzem wurde der Roman Heute beißen die Fische nicht von Ina Westman auf DFGliest vorgestellt. Hier kommt schon die Rezension aus der Redaktion der Deutsch-Finnischen Rundschau.

von dfgliest , 05.03.2021 — 0 Kommentare

Ina Westman: Heute beißen die Fische nicht © mareverlag

Emma und Joel verbringen mit ihrer Adoptivtochter Fanni einen Inselsommer im finnischen Schärengarten. Motiv und Titel verheißen eine Idylle, in der eben nichts wichtig ist außer Wind, Wetter und Meer – und ob die Fische beißen.

Dahinter aber öffnet die Schriftstellerin, Bloggerin und Kommunikationsmanagerin Ina Westman in ihrem Roman mehrere Erfahrungs­ebenen, die zunehmend weniger mit Idylle zu tun haben. Die Adoptionsgeschichte Fannis, ihre Fremdheit und Andersartigkeit werden eingewoben in die Erzählung. Die einzelnen kleinen Kapitel werden jeweils aus der Perspektive von Emma und Joel sowie über Fanni in Verbindung mit ihrem Großvater erzählt, dem die Insel gehört und mit dem sie angelt, Pilze und Beeren sammelt und Kobolde sucht. Ihm stellt sie Fragen über die Welt, den Tod und das Leben, er teilt mit den Leser*innen die Berührtheit über dieses empfindsame Kind.

Das Buch lebt vom Nicht-Gesagten, vom Offen-Gelassenen. Manchmal spüre ich beim Lesen eine Ungeduld, möchte die ganze Geschichte wissen. Es gibt sie nicht. Aber mit jedem Kapitel gibt es neue Vignetten, die mit der Fantasie der Leser*innen zusammen dann doch eine ganze Erzählung ergeben.

Ina Westman hat eine poetische, klare Sprache, hat dichte und bedrängende Bilder, von Stefan Moster meisterhaft ins Deutsche übertragen. Das Buch ist von einer berückenden Zartheit, fast Zerbrech­lichkeit – sie ist der Mantel um Erfahrungen von unglaublichen Schrecken, Gewalt und Bedrohlichkeit, die wohl nur so lesbar und zu ertragen sind. Denn Emma ist Foto­journalistin in Kriegs- und Krisengebieten, eine von jenen Menschen, deren Bilder uns selbst als bloße ferne Zuschauer*innen nicht loslassen. Emma trägt all diese Bilder und Fotografien in sich – die gemachten und die nicht geschossenen. Das beschreibt Ina Westman kurz, ohne Dramatisierung und Empörung und doch zum Entsetzen eindringlich.

Was ist wohl alles passiert, das Emma so verändert hat, dass sie an Schmerz- und Panikattaken, an Halluzinationen und Gedächtnisverlusten leidet? Joel und Fanni leiden auf ihre Weise mit. Die Auszeit auf der Insel bringt nicht einfach idyllische Ruhe, die Geister der Vergangenheit leben mit im Häuschen und am Steg der kleinen Familie. Die Protagonisten sind hilflos, würden so gern verändern, beschwichtigen, vergessen machen. Worauf sie bauen können, ist ihre Liebe zueinander, sind Joels Ehrlichkeit, Emmas Stärke bei aller Verletzung, Großvaters Geduld und Fannis Neugier, Lebendigkeit und Aufmerksamkeit.
Wie sie ihren Weg finden werden, bleibt offen.

Heute beißen die Fische nicht ist Ina Westmans zweiter Roman. Die Literaturbloggerin verrät, dass alle ihre Wege zum Buch führen – und dass sie bereits mit sechs Jahren an ihrem ersten Buch gearbeitet hat. Gut so und mehr davon!
 
Ina Westman: Heute beißen die Fische nicht. Henkiensaari. Aus dem Finnischen von Stefan Moster. mareverlag 2021. 256 S. ISBN 978-3-86648-645-4, 22 Euro. Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau von Jessika Kuehn-Velten



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