Alles beginnt mit einer Beerdigung. Sami und seine Schwester Henna sehen sich wieder einmal den neugierig-anklagenden Blicken und Fragen ihrer Familie ausgesetzt: hat Sami denn immer noch keine Partnerin gefunden? Und wann kann Mutter Seija endlich Enkelkinder in den Arm nehmen? Als wenn Sami und Henna sich nicht jeder selbst nicht schon genug Druck machen würden, das Ticken der biologischen Uhr ständig im Ohr.
Miika Nousiainens Roman nimmt uns mit nach Helsinki in das Leben der Heinonens und lässt Henna, Seija, Sami und seine beiden besten Freunde Nojonen und Markus abwechselnd erzählen. Sie alle stehen mitten im Leben und jeder hat andere Sorgen: Sami wünscht sich sehnlichst eine Familie, seine Beziehungen halten aber gerade deshalb nie länger als ein paar Monate; auch Henna ist ganz besessen vom Kinderwunsch und probiert alles Erdenkliche aus; Nojonen hat seine geschiedenen Eltern zu pflegen und Markus kämpft sich durch den Alltag eines alleinerziehenden Vaters von drei Töchtern. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände muss Sami sich eine Zeit lang vor einer mutmaßlich kriminellen Motorradgang verstecken und fügt sich perfekt in das Familienleben von Markus ein, bei dem er unterkommt. Doch eine Dauerlösung ist das nicht, früher oder später muss er sich jedoch seinen Verfolgern stellen und tritt ein in die Welt der – vielleicht doch gar nicht so kriminellen? – Mottoradrocker.
Namensgebend für den Roman ist, im finnischen Original wie auch in der deutschen Übersetzung, ein Blog, der zu allen Lebenslagen einen klugen Rat hat und deren Autorin Sini stets mit allerbestem Beispiel vorangeht und nichts als schwärmen kann von ihrem eigenen Familienleben. Es ist der Blick hinter die Kulissen der scheinbar heilen Welt des Blogs und unter die Oberfläche der Lebensentwürfe, die anderen stets so viel besser erscheinen als ihr eigener, der dieses Buch ausmacht. Gleichzeitig streift es viele aktuelle gesellschaftliche Themen von Angehörigenpflege über Depression, Klimawandel, Beziehungskonstellationen und notorischem Positiv-Selbstdarstellungszwang im Internet.
Der Roman kommt gänzlich ohne Erzählstimme aus und wirkt dadurch umso lebendiger und die Charaktere werden sehr nahbar, wenn sie abwechselnd in alltäglicher Sprache aus ihrer Perspektive erzählen. Sami soll auf der verzweifelten Suche nach der Mutter seiner zukünftigen Kinder noch in weitere Verstrickungen geraten als „nur“ eine Motorradgang auf dem Hals zu haben und auch das Leben der anderen Figuren nimmt einige überraschende Wendungen. Miika Nousiainens Roman, im Finnischen Original erschienen 2020 und jetzt in deutscher Übersetzung von Elina Kritzokat, ist eine empfehlenswerte Lektüre, die viel Schmunzeln, Mitgefühl, bei Samis Abenteuern bisweilen auch Fremdscham, auslöst und gute Unterhaltung bietet. Eine
Leseprobe bietet die Website des Verlags Kein & Aber.
Nousiainens Romane erfreuen sich in Finnland und darüber hinaus großer Beliebtheit – nicht nur in Buchform. Der Film
Metsäjätti basierend auf dem gleichnamigen Roman lief letztes Jahr in den Kinos und bekam beim Festival
Nordische Filmtage in Lübeck den Publikumspreis. Nachdem bereits
Metsäjätti ("Waldriese") und
Juurihoito (auf Deutsch erschienen als „Die Wurzel alles Guten“) auf der Bühne ein großer Erfolg waren, läuft im Herbst nun auch
Pintaremontti als
Theaterstück am finnischen Nationaltheater an.
Miika Nousiainen: Quality Time, Original: Pintaremontti, aus dem Finnischen von Elina Kritzokat, Kein&Aber, Hardcover, 336 Seiten, ISBN: 978-3-0369-5848-4. Eine Rezension von Susanne Triesch.
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