Glaubt man dem Weltglücksbericht, sind die Menschen am glücklichsten in Finnland seit nunmehr vier Jahren in Folge, selbst in Corona-Zeiten. Aber so einfach ist das nicht. Miika Nousiainen, abonniert auf ungewöhnliche Themen und das Tragikomische, hat sich in dem vorliegenden Roman dem Zustand des empfundenen Glücks angenommen und ist fündig geworden.
Fünf Menschen, allesamt aus Helsinki, wohl situiert und miteinander verbandelt, kommen zu Wort und erzählen von ihrem Streben nach dem perfekten Leben und ihrem Scheitern.
Im Mittelpunkt steht der freundliche und sympathische Sami, der auf die vierzig zugeht. Er hat einen gut dotierten Job, ist aber noch Single und will unbedingt eine Familie gründen. Doch so recht will es nicht klappen, denn Sami klammert. Aus Frust und Eifersucht legt er sich zudem mit einer Biker-Gang an, mit der er sich letztlich irgendwie arrangieren muss. Und auch sonst lässt er bei der Kontaktaufnahme mit den potenziellen Müttern seiner Kinder leider kein Fettnäpfchen aus.
Die biologische Uhr seiner Schwester Hanna tickt ebenso unaufhörlich und laut. Sie ist verheiratet mit Jonas und wünscht sich seit Jahren sehnlichst ein Kind. Ihr Kinderwunsch wird fast schon zur fixen Idee. Ihre Excel-Kenntnisse aus der Studienzeit finden nun in Fruchtbarkeitstabellen Anwendung. Sie steht unter Druck. Weil es mit dem Nachwuchs nicht klappt, setzt sie ihre ganze Hoffnung in die Kinderwunschklinik.
Markus ist Samis Freund seit Kindertagen. Auch er, der studierte Anthropologe und Banker, hat als alleinerziehender Vater dreier Töchter sein Päckchen zu tragen. Er, für seine Kinder der beste Papa der Welt, sieht sich selbst nur noch als überforderter Chaosverwalter. Seine Frau Sara, die eine perfekte Mutter sein wollte, ist an ihrem Anspruch kläglich gescheitert und endete in einer paranoiden Depression.
Der gutmütige und vom Pech verfolgte Nojonen, Samis zweiter Kumpel, opfert sich völlig auf, um zunächst seinen schwerkranken Vater und dann seine an Demenz leidende Mutter zu pflegen. Da bleibt keine Zeit, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern.
Und dann ist da noch Asta, die Mutter von Sami und Hanna, die nach einer glücklosen Ehe ihren plötzlich verstorbenen Mann beerdigt hat. Auch sie wünscht sich Nachwuchs: Enkelkinder.
Früher oder später stoßen sie auf den Ratgeber-Blog Quality Time, der vermeintlich sämtliche Probleme des Daseins mit perfekten Tipps zu lösen vermag, natürlich nachhaltig und achtsam und auf ökologisch und ethisch wertvolle Weise. Sami, Hanna, Markus, Nojonen und Asta stehen vor einem Wendepunkt und kurz davor, ihr Leben umzukrempeln, was die eine oder andere ungewöhnliche und unerwartete Überraschung mit sich bringt.
Nousiainen hat einen Blick für seine urbanen problembeladenen Zeitgenossen und zeichnet seine Protagonisten und ihre Geschichten mit leichter Feder, pointiert und temporeich. Eine die dunklen Monate des Jahres aufhellende Lektüre, witzig, erfrischend, herrlich schräg und mit viel Tiefgang und toll übersetzt! Quality Time eben. Was für ein Glück, dass es sie etwas gibt.
Miika Nousiainen: Quality Time (Pintaremontti, 2020 Otava, Helsinki), Übersetzung: Elina Kritzokat, Kein & Aber, Köln, 2021, ISBN 978-3-0369-3848-4, 22 Euro (auch als e-Book erhältlich). Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau von Petra Sauerzapf-Poser.
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