Um es gleich vorwegzunehmen: ein wunderschönes Buch, das sowohl Kinder als auch Erwachsene in seinen Bann zieht: Die Autorin Saskia Geisler (u.a. Sommer im Baumthal) hat von neuem eine Schönerzählung vorgelegt, ein Buch mit historischer Authentizität.
In der Zeit des Winterkrieges 1939/1940 verharren die Kriegskinder Matti und seine jüngere Schwester Sanna im bombengequälten Helsinki. Sie sind zwei von insgesamt etwa 70.000 Kriegskindern, die im Winter- und Fortsetzungskrieg zu ihrer Sicherheit von Finnland nach Schweden geschickt wurden. „Ihr seid doch alles, was wir haben.“ „In Schweden können sie euch gut ernähren und ihr seid vor Bomben sicher.“ Und Schweden lockte mit der Vorfreude auf die dort überall zu findenden „Zimtschneckenberge“ (S. 14).
Obwohl für die Kinder die Abreise aus Finnland bitter ist und die Kleinen „alle heulen und heulen“, werden die Zeiten in Schweden für die Kinder bald wieder „rosiger“, und „sie bekommen sogar wirklich fast jeden Tag eine Zimtschnecke zu essen“. Als der Krieg im September 1944 schließlich zu Ende geht und die Rückkehr der Kinder ansteht, spricht Sanna kaum noch ein Wort Finnisch, während Matti „Angst“ davor hat, „Papa und Mama wiederzusehen“. In Wirklichkeit aber verging die Zeit in Schweden „wie im Flug“ und wurde von vielen Kriegskindern – sotalapset – als eine „Bereicherung“ empfunden. Vor der Rückkehr nach Finnland hat Sanna Tränen in den Augen: Ob wir „im Herbst“ „für eine Woche kommen“ dürfen?
Mattis und Sannas Geschichte aber ist repräsentativ für die finnischen Kriegskinder. Die „Finnlandkinder“ waren in Schweden sehr willkommen und mussten sich bereits an Bord von Krankenschwestern medizinisch untersuchen lassen. Die Autorin lässt uns in einem Nachwort wissen, dass etwa 15.000 Kinder in Schweden blieben und „überhaupt nicht nach Finnland“ zurückkehrten. Sie erwähnt auch die Kinder, welche „ganz zu Beginn des Krieges“ „nach Dänemark geschickt“ wurden.
In der Geschichtsschreibung blieb das Schicksal der finnischen Kriegskinder für Jahrzehnte vergessen. Noch jetzt aber „sprechen“ einige Denkmäler in Finnland, Schweden und Dänemark über die schweren Schicksale der finnischen Kriegskinder. Die Autorin notiert zu Recht resümierend, dass „Kriegskinder“ ein Beispiel dafür sind, wie die erwachsenen Menschen „darüber entscheiden, was gut und was schlecht für Kinder ist“. Am Ende ihres schönen Buches zieht Saskia Geisler die historisch unwiderlegliche „Schlussrechnung“: „Wenn Krieg“ ist, „leiden auch die, die mit den Ursachen nichts zu tun haben. Gestern wie heute!“ (S. 115)
Saskia Geisler ist vor allem auch dafür große Anerkennung zu zollen, sich minutiös gedanklich und glaubwürdig in die bewegte „Gedankenwelt“ ihrer handelnden Personen – der Kinder Matti und Sanna – „hineingearbeitet“ und sie überzeugend für ihre Leser dargeboten zu haben. Die Zimtschneckenjahre sind für Jung und Alt überaus ein Lesegenuss, und die durchweg kurzen Sätze des profunden Textes stehen für höchste Verständlichkeit sowie für inhaltliches Mitempfinden des Geschehenen. Der Autorin ist ein Meisterwerk gelungen!
Saskia Geisler: Zimtschneckenjahre. Als finnische Kriegskinder nach Schweden. Heiner Labonde Verlag 2022. 115 S., ISBN 978-3-937507-90-3. 11 Euro. Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau 183 von Dr. Michael Peters.
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