Sie ist die Grande Dame des finnischen Krimis – Leena Lehtolainen, die 1964 in Vesanto geborene und in Degerby lebende Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin, die ihr erstes Jugendbuch bereits mit zwölf Jahren veröffentlichte und die seither nicht mehr von der Feder hat lassen können. 17 Jahre später erscheint ihr erster Kriminalroman rund um die Ermittlerin Maria Kallio, die inzwischen Protagonistin vieler weiterer Romane ist.
Die Kälte der Wahrheit, Lehtolainens neuestes übersetztes Werk, ist ein echter Thriller – und erzählt nicht Kallios vertraute Polizeiarbeit, sondern aus der ungewöhnlichen und spannenden Perspektive der Personenschützerin Hilja Ilveskero, einer unerschrockenen, schnellen, starken Frau, einer Einzelkämpferin, die sich gleichermaßen auf ihre Professionalität wie auf ihre intuitiven Fähigkeiten verlässt, ist sie doch, zu ihrem Namen passend, den Kräften der Luchse Nordfinnlands verbunden. Es ist ihr fünftes Abenteuer in Lehtolainens Reihe.
Engagiert wird Hilja in ein Luxusresort in Finnisch Lappland. Ihre Chefin kann sich die Gäste aussuchen – reiche Geschäftsleute und Prominente, die für eine Zeit aus dem Licht der Öffentlichkeit treten, unerkannt und komfortabel eine Auszeit genießen wollen. Diskretion ist das oberste Gebot im Resort. Und dann verschwindet ein Gast, im Eis taucht eine Leiche auf, und mit ihr Gefahr, Angst, Verstrickungen und Machenschaften. Gäste wie Angestellte machen sich mehr als verdächtig. Hilja merkt, dass sie ohne Verbündete nicht weiterkommt, und weiß aber auch, dass sie Misstrauen und Distanz zu ihrem Schutz braucht. Ein echtes Dilemma für die Luchsfrau. Und sie hat eine Achillesferse, ihr selbst wohl bewusst und doch so stark wie sie selbst: ihr kurzes, heftiges, immer wieder flammendes Begehren.
Das alles spielt im dunklen lappländischen Winter, der nur kurz am Tag die Sonne sieht, unter Sternen und Nordlichtern, zwischen klirrender Kälte rund um die Glasarchitektur schwebender Bungalows und der Wärme der Sauna und der Hitze der Gefechte alter Geschichten und neuer Konflikte. Spannung pur.
Leena Lehtolainen findet packende Worte gleichermaßen für die urwüchsige Natur wie für die Abgründe der Seelen. Und ihre Hofübersetzerin Gabriele Schrey-Vasara hat wieder einmal ganze Arbeit geleistet und gewohnt sorgsam übertragen. Hilja Ilveskero übrigens entkommt – so dass wir uns hoffentlich auf eine Fortführung der Reihe freuen dürfen...
Leena Lehtolainen, Die Kälte der Wahrheit. Ilvesvaara. Aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara. Rowohlt TB2022. 384 Seiten. ISBN 978-3-499-00996-9. 13 Euro. Eine Rezension in der Deutsch-Finnischen Rundschau von Jessika Kuehn-Velten
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