Rezension: Ville Ranta: Kajaani – Der Verbannte der Kalevala

Ville Ranta: Kajaani – Der Verbannte der Kalevala

 

Kajaani erzählt die Geschichte von Elias Lönnrot, allerdings aus mehreren ungewöhnlichen Blickwinkeln zugleich.

Zunächst ist das Werk keine Prosa, sondern eine Graphic Novel, also eine Art anspruchsvoller Comic. Der Zeichner Ville Ranta, der in Finnland kein Unbekannter ist, schuf das Werk bereits 2008, es dauer­te also einige Jahre, bis es nun auch den Weg nach Deutschland fand. 

Gehalten in einem schlichten, dynamischen, aber liebevollen Schwarz-weiß-Stil, erzählt es darüber hinaus nicht von der allseits bekannten Lebensleistung Lönnrots, auf mehreren Reisen über mehrere Jahre hinweg durch die Weiten des finnischen Reiches zu ziehen und alte Geschichten und Lieder zu sammeln, die schließlich im Nationalepos Kalevala kulminieren, sondern vom jungen Elias, der als Arzt im Städtchen Kajaani ein getriebenes Leben lebt. Ein Leben zwischen Langeweile, ständi­gen Saufgelagen mit Freunden, Rauchen und Sex-(phantasien), vom dem Elias nicht genug bekommen kann. Neben seinen privaten Eskapaden wird er zunehmend von seinem Beruf als Arzt und den Erwartungen seiner Familie zerrieben. Als dann seine Affäre, die bereits mit jemand anderem verheiratet ist, schwanger wird, kulminieren die Ereignisse und er versucht mit ihr nach Karelien zu fliehen …

Nur ganz am Rande geht das Werk auf die historische Bedeutung seiner Person ein, indem in wenigen Szenen Lönnrot beim Liedersammeln gezeigt wird. Ansonsten lernt man eine völlig andere Seite des Nationaldichters kennen. Aus heuti­ger Sicht würde man sagen, er war ein hedonistischer Egomane, dem es nur um die Erfüllung seiner eigenen Bedürfnisse geht und für den Frauen nur Mägde und Sexobjekte sind. Andererseits spiegelt sich in seiner Geschichte wahrscheinlich beispielhaft die finnische Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts wider.

Wer also bebilderte Einblicke in das Leben und Werk des Nationaldichters Lönnrot sucht, ist hier fehl am Platz. Wer sich aber für die junge und menschliche Seite von Elias interessiert und Graphic Novels mag, der findet in diesem Band eine kurzweilige, unterhaltende Lektüre und einen kleinen Einblick ins Finnland des 19. Jahrhunderts.

Das Werk war auf dem internationalen Comicfestival in Angoulême für den Preis des besten Albums nominiert.